Die größten Alben aller Zeiten Bruce Springsteen & The E Street Band – Live 1975–85
Stand: 25. Juni 2020.
1986 war Bruce Springsteen auf dem Gipfel seiner Karriere – nur ein Live-Album fehlte noch. Und dann kam das: Fünf LPs in einer Box. Und jeder Fan holte sich die echte Konzertatmosphäre direkt nach Hause. Bernd Schleßelmann über "Live 1975 – 85".

Die größten Alben aller Zeiten: Springsteen Live 75 – 85
Springsteen live: Einfach unbeschreiblich
Live-Alben sind ja nicht jedermanns Sache. Verständlich. Oft ist der Sound grottig, man hört ständig das Gegröhle des Publikums. Wo bleibt da die Musik? Aber es gibt eben auch einige Klassiker, die man immer wieder hören kann – und man bekommt einfach nicht genug. So wie "Get Yer Ya-Yas Out" von den Rolling Stones und "It’s Too Late To Stop Us Now" von Van Morrison gehört für mich auch diese Live-Box von Bruce Springsteen dazu. Als sie im November 1986 veröffentlicht wurde, habe ich sie mir quasi selbst als Weihnachtsgeschenk gekauft. Ich glaube, im Dezember und im Januar habe ich damals kaum andere Musik gehört als diese 40 Songs aus zehn Jahren. Diese Power, diese Leidenschaft, diese Spielfreude – das hat mich wirklich umgehauen. Und ich war froh, wieder echter Springsteen-Fan sein zu können. Denn von seinem Mega-Hit "Dancing In The Dark" und dem Album "Born in the USA" war ich doch sehr enttäuscht: Zu glatt, zu kommerziell, zu viel Mainstream. Mit der Live-Box hatte er mich also wieder gepackt – mehr denn je. Soviel war klar: Ich musste dieses Bühnentier einfach live erleben.

Das Weserstadion bebt
Gut anderthalb Jahre musste ich warten, dann war es soweit: 30. Juli 1988 – das erste Konzert überhaupt im Bremer Weserstadion. 55.000 Menschen waren da – und ich war einer von ihnen. Es war die Tour zu seinem Album "Tunnel Of Love", einem Album, das vom "Born To Run"-Rocker Springsteen weit entfernt war. Deshalb befürchtete ich, dass dieser Sommerabend in Bremen eher nachdenklich und ruhig werden würde. Völliger Unsinn. Der Boss und seine Band drehten richtig auf. Und vor allem überraschten sie mich und die anderen Rock-Fans immer wieder. Gleich als zweites Stück kam beispielsweise die alte Blues-Nummer "Boom Boom", später "Sweet Soul Music". Damit hatte ich nicht gerechnet. Und damit auch nicht: Als das Konzert kurz vor 23 Uhr immer noch nicht zu Ende war, forderte Bruce Springsteen: "Macht das Flutlicht an". Er wollte nämlich sein Publikum sehen.
Reporter für Rock’n‘Roll
Das war schon ein irres Erlebnis, bei dem mir manchmal einfach die Worte fehlten. Was in meiner Situation allerdings denkbar schlecht war. Denn als Volontär der "Bremervörder Zeitung" wollte ich einen Artikel über das Konzert schreiben. Ich hatte deshalb einen kleinen Schreibblock in meiner Hosentasche und machte mir immer wieder Notizen. War auch nicht so einfach inmitten der Menschenmassen. Ob ich meine eigene Begeisterung und die ekstatische Stimmung wirklich eingefangen habe, weiß ich nicht mehr. Ich habe gewisse Zweifel. In der "Rundschau", einem Anzeigenblatt, erschien jedenfalls einige Tage später der Artikel mit der Überschrift: "Bruce zeigte allen, wer der Boss ist". Na ja. Nicht besonders originell. Da war journalistisch noch viel Luft nach oben.
Vom Zwergkaninchen angefressen

Übrigens: Die Live-Box habe ich kürzlich nach langer Zeit wieder hervorgekramt. Leider sieht sie arg mitgenommen aus. Irgendwann Anfang der 90er konnte unser Zwergkaninchen seinen unbändigen Appetit auf Pappe nicht bändigen. Bis zum Vinyl ist das Tier Gott sei Dank nicht vorgedrungen. In den vergangenen Tagen haben sich die fünf LPs auf meinem Plattenteller immer wieder gedreht. Bruce fasziniert mich immer noch. Und es war fast so wie damals im Winter 1986.
Bruce Springsteen & The E Street Band: "Live 1975–85"
erschien am 6. November 1986
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Vormittag, 25. Juni 2020, 11:45 Uhr