Auf ein Wort Zur Ruhe kommen
Standdatum: 29. Januar 2023.
Ich hatte es gerade noch rechtzeitig geschafft. Wie so oft auf den letzten Drücker. Kaum hatte ich meinen Platz eingenommen, da erklangen schon die ersten Orgeltöne und erfüllten den Kirchenraum. Plötzlich legte sich ein Schalter um. Rein äußerlich war mein Puls noch mächtig am Schlagen und viele Bilder tauchten vor meinem inneren Auge auf. Doch daneben erreichte mich immer mehr diese wunderbare Orgelmusik und umhüllte mich wie ein warmer Teppich. Und je länger ich zuhörte, desto ruhiger wurde ich.
Ich mag solche überschaubaren Kirchenmusikformate wie zum Beispiel eine halbe Stunde Orgelmusik am beginnenden Abend oder während eines Einkaufs in der Stadt. Einfach mal raus aus dem Gewohnten und eintauchen in eine ganz andere Welt. Mich entführen lassen in einen Raum, den ich im Alltag so selten betrete. Und Musik ist dabei ein wunderbares Medium, auf das ich mich fokussieren und so auch fort tragen lassen kann. Manchmal sogar in unendlich scheinende Weiten.
Der Effekt ist immer derselbe. Ich komme zur Ruhe. Ich komme an bei mir. Ich bekomme Abstand zu meinem Erlebten und kann meine Welt mit anderen Augen sehen. Es ist wie mit einem Brunnen, aus dem ich gerade Wasser geschöpft habe. Schaue ich am Anfang noch in diesen Brunnen hinein, dann kann ich wenig erkennen, weil das Wasser noch unruhig und bewegt ist. Doch warte ich, wird es ruhig und still und ich kann mich selbst darin erkennen. Mein Blick verändert sich – auf mich, auf die Welt und auch auf Gott.
Der Theologe Johann Baptist Metz hat es pointiert einmal so formuliert: Die kürzeste Definition von Religion ist Unterbrechung. Ob durch Musik oder Stille oder durch irgendwelche Riten, die wir vollziehen. Unser durchgetaktetes Leben erfährt eine Unterbrechung und öffnet uns die Augen für das Wesentliche, für das ganz Andere um uns herum. Das hat häufig etwas Befriedendes und Verbindendes. Weil es mich mit einer ganz anderen Wirklichkeit in Verbindung bringt.
Es ist wie mit schönen Glasfenstern in einer Kirche. Betrachtet man diese Fenster nur von außen, erscheinen sie oft nüchtern und langweilig. Doch wenn die Sonne durch die Fenster scheint und wir vom Kircheninnern aus darauf schauen, erkennen wir diese Fenster nicht wieder. Sie funkeln und strahlen und sind Brücken in eine ganz andere Welt. Und manchmal gelingt es uns sogar, über eine dieser Brücken zu gehen.
Dieses Thema im Programm: 29. Januar 2023, 7:40 Uhr