Herbert Grönemeyer "Das ist los" Grönemeyer mit Tiefgang, elektronischen Sounds und Melancholie

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Von sich selbst sagt Herbert Grönemeyer, dass er viele Texte für die Tonne schreibe. Was es dann aber auf sein Album "Das ist los" geschafft hat, ist umso hörenswerter.

Albumcover: Herbert Grönemeyer - Das ist los
Albumcover: Herbert Grönemeyer - Das ist los Bild: UMD/ Vertigo Berlin
Albumcover: Herbert Grönemeyer - Das ist los
Albumcover: Herbert Grönemeyer - Das ist los

So klingt Herbert Grönemeyers "Das ist los"

Von sich selbst sagt Herbert Grönemeyer, dass er viele Texte für die Tonne schreibe. Was es dann aber auf sein Album "Das ist los" geschafft hat, ist umso hörenswerter.

Bild: UMD/ Vertigo Berlin

Eigentlich mag er keine langen Alben, aber 13 Songs hätten es schon sein müssen, bemerkt Herbert Grönemeyer in Hinblick auf sein am 24. März 2023 erschienenes 16. Studioalbum "Das ist los". Da scheint Deutschlands erfolgreichster Musiker der Gegenwart ein wenig den "Geist, der stets verneint" zu spielen. Denn eines ist klar: Auch in diesem unruhigen Jahr, das auf dem Boden turbulenter, verstörender Zeiten erwächst, hat Grönemeyer nach wie vor so viel zu sagen wie wohl kaum ein anderer seiner Zunft.

Unser Gehirn muss ja sondieren in dieser Flut. Wo steigst du ein, wo steigst du aus?

Herbert Grönemeyer
Herbert Grönemeyer
Bild: Victor Pattyn

Sein Vorgängeralbum mit dem rasanten Titel "Tumult", welches im November 2018 erschienen ist, habe er noch von sicherem Boden aus schreiben können, berichtet der Sänger mit der massiven Buddy-Holly-Brille. Dagegen sei "Das ist los" in einer Zeit ohne festes Fundament entstanden. Alle scheinbaren Gewissheiten - pulverisiert in Pandemie, Klimakrise, Krieg und Inflation. Eine Flut echter und vermeintlicher Möglichkeiten – durcheinandergewirbelt im Strudel einer gefühlt immer schneller ablaufenden Zeit. Da noch einen klaren Kopf und die Balance zu behalten, ist zu einer echten Herausforderung geworden. Was das angeht, bewundert Grönemeyer die junge Generation, die sich in diesem Wirrwarr zurechtfindet. Der Titelsong "Das ist los" seines neuen Albums verarbeitet genau das in einem elektronisch angetriebenen grotesken Wortgewitter. Diese wie ein Stroboskop flackernde Bildersalve komprimiert das, was tagtäglich auf uns einströmt, zu einem fordernden musikalischen Drei-Minuten-Schnappschuss.

Konzentrier dich auf die Themen, wo du was sagen kannst und die dich interessieren. Und den Rest schüttele ab.

Herbert Grönemeyer

Wo sollte man mitreden und wo sollte man sich mangels Kenntnis zurückhalten? Das ist eine der Fragen, die Herbert Grönemeyer sich aktuell stellt. Also konzentriert er sich auf seinem neuen Album wieder einmal auf das, was er am besten kann: Zweifel mit Hoffnung zu kombinieren, Songtexte zu echten Hinhörern zu schmieden, deutlich zu werden ohne überzureagieren, mit atemberaubenden musikalischen Momenten zu versöhnen. Im Grunde seines Herzens ist er überzeugt davon, dass wir Menschen empathische, hilfsbereite und solidarische Wesen sind. Zusammenhalt statt Aufruhr, wenn auch musikalisch vom bekennenden Hip-Hop- und Techno-Fan Grönemeyer flankiert mit deftigen elektronischen Rhythmen und Keyboardsounds, wie wir sie noch von der Neuen Deutschen Welle im Ohr haben. Das NDW-hafte "Herzhaft" mit seinem vom Berliner Soundtüftler Hainbach entwickelten Beat liegt Grönemeyer dann auch besonders am Herzen.

Es sitzt, glaube ich, jeder Song sehr gut in sich.

Herbert Grönemeyer
Herbert Grönemeyer
Bild: Victor Pattyn

Es sind schon Appelle, die Grönemeyer auf seinem Album auf die Reise schickt. Mit "Genie" etwa möchte er motivieren und auf den Glauben an sich selbst verweisen. Den zumindest verspürt der 67-jährige Musiker auf jeden Fall, denn mit "Das ist los", diesem in Musik gegossenen Schlaglicht auf gegenwärtige Befindlichkeiten, ist er mehr als zufrieden. Jeden Einzelnen der dort versammelten Songs empfindet er als stimmig. Schließlich müssen alle Grönemeyer-Lieder eine harte Auslese durchlaufen, wobei das Verfahren schlicht und effektiv ist. Immer schreibt Herbert Grönemeyer zuerst die Musik. Er singt dazu "Bananentexte", wie er sie nennt, in mehr oder minder komischem Denglisch. Es können 300 oder gar 400 Durchläufe sein, bis er von der Qualität der Musik überzeugt ist. Das fertige Arrangement bildet dann das Gerüst für Grönemeyers Texte. Da kann es dann aber auch passieren, dass ein Text einfach nicht zur Melodie passen will – wie ein Sakko, erklärt Grönemeyer, das auf dem Ständer klasse aussehe und ihm dann bei der Anprobe so gar nicht stehe.

Ich male wild drauflos und gehe davon aus, dass mir am Ende mein Bild zeigt, wie ich innerlich ticke.

Herbert Grönemeyer
Herbert Grönemeyer
Bild: Victor Pattyn

Seine Texte seien immer geprägt von seiner jeweiligen momentanen Stimmung, betont der mit zahlreichen Auszeichnungen geehrte Sänger, Komponist, Musikproduzent und Schauspieler. Insofern gebe ein Album immer viel radikaler Auskunft über seine Persönlichkeit als jede Selbstanalyse, ist Grönemeyer überzeugt. Für die Arbeit an seinem aktuellen Album hatte er sich mit seinem langjährigen Co-Produzenten Alex Silva in einem abgelegenen Haus in Umbrien eingemietet. Fürs leibliche Wohl sorgte Profiköchin Lorena Autuori – und wie es der Zufall so will, ist bei Grönemeyers Kreativaufenthalt in San Gemini auch noch ein Kochbuch herausgekommen. Komplettiert wurde "Das ist los" in den Hansa Studios in Berlin, in Visby auf der schwedischen Insel Gotland und in London. Die übergreifende Aufgabe, die Herbert Grönemeyer sich für sein neues Album gestellt hatte, lautete: "Wie kriege ich Clubbeats und Melodien zusammen?"

Mut ist ohne Angst nicht beschreibbar, es gibt keinen Mut ohne Angst.

Herbert Grönemeyer

Den Mut, seine Begeisterung für Clubbeats mit seinen Ansprüchen an klare Melodien zu verbinden, hat Grönemeyer auf "Das ist los" zweifellos gefunden. Kein Mut ohne Angst – dieses Mantra seiner Singleauskopplung "Angstfrei" hat er sich für sein Album klanglich zu eigen gemacht. Es dröhnt dumpf wie in der ersten Single "Deine Hand", Basslinien wabern geheimnisvoll durch "Genie", elektronische Beats puckern in "Angstfrei" und Keyboardgirlanden schlingen sich "Turmhoch" empor. Mit elektronischem Pinsel hat Herbert Grönemeyer dunkel getönte Farben wie ein Caravaggio der Musik breit aufgetragen. Denn immer wieder bricht gezielt melodisches Licht in Grönemeyers Klangraum ein – so wie in der anrührenden Ballade "Tau".

Diese Melancholie, die einen erschleicht, wenn man sich auseinandersetzt mit Dingen, die einem unheimlich guttun oder über die man sich freut.

Herbert Grönemeyer
Herbert Grönemeyer
Bild: Victor Pattyn

Er sei kein großer Geschichtenerzähler, sagt Grönemeyer über sich selbst. Da mag ein bisschen Koketterie mitschwingen, denn tatsächlich vermag der 1956 in Göttingen als Herbert Arthur Wiglev Clamor Grönemeyer geborene Künstler wie kaum ein anderer seinen Blick auf die wichtigen Themen der Zeit zu werfen und gleichzeitig sein Herz zu öffnen. Diesem doppelten Sog kann man sich nur schwer entziehen, was aber ja gut ist. Denn das Album "Das ist los" verlangt einem schon einiges ab. Als Lohn winken dann rhythmisch aufgeladene Denkimpulse und wunderbare Momente voller klanglicher Intimität. In Grönemeyers musikalischem Kosmos gehen des Musikers analytischer Blick etwa auf die Klimaproteste, auf die Tragödie der aus der Ukraine Geflüchteten oder wie in "Urverlust" einfach nur auf die späte Einsicht eines Fehlverhaltens in einer gescheiterten Beziehung die Verbindung ein mit zutiefst melancholischen Momenten angesichts großen und kleinen Glücks, die einem schier das Herz zerspringen lassen möchten. Genau darin liegt die große Kunst dieses singenden Sprachschöpfers.

Grundsätzlich unterstelle ich den meisten Menschen nach wie vor eine große Humanität und ein aufgeklärtes, liebevolles Denken.

Herbert Grönemeyer

Klar, Herbert Grönemeyer kann auch anstrengend sein und mutet uns durchaus mal Hörarbeit zu. Aber "Das ist los" ist ein Album, an welchem man in dieser Zeit einfach nicht vorbeikommt. Wenn Grönemeyer, dieser mit seinen Texten ringende Melodienfinder und Menschenfreund, auch nicht auf alles eine Antwort hat, so bringt er uns dennoch dazu, uns die richtigen Fragen zu stellen und Zuversicht zu empfinden. Deswegen: Ohren auf und hingehört!

Herbert Grönemeyer "Das ist los"
UMD/ Vertigo Berlin
EAN: 0602448947505
VÖ: 24. März 2023

Gewinnen Sie das Album "Das ist los" von Herbert Grönemeyer

Das Gewinnspiel endet am 25. April 2023 um 12 Uhr.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Nachmittag, 17. April 2023, 16:40 Uhr

Bremen Eins Livestream & aktuelle Sendung.

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