Auf ein Wort Durch das Leben segeln

Sonnenstrahlen scheinen durch dunkle Wolken

Durch das Leben segeln

48 Stunden ohne Schlaf auf der Nordsee. Tag und Nacht. Ganz allein. Eine Grenzerfahrung, bei der einem vieles durch den Kopf gehen kann. Edda Bosse erzählt von einer ganz besonderen Regatta.

Bild: Imago | blickwinkel

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48 Stunden ohne Schlaf auf der Nordsee. Tag und Nacht. Ganz allein. Eine Grenzerfahrung, bei der einem vieles durch den Kopf gehen kann. Edda Bosse erzählt von einer ganz besonderen Regatta.

48 Stunden lang wach bleiben. Am Stück. Auch in der Nacht. Mitten in der Nordsee. Ganz allein. Was macht das mit einem Menschen?

Gestern hat mir mein Bruder von seiner Teilnahme an der größten Einhand-Regatta der Welt erzählt. Die heißt Silverrudder und erfordert die Umsegelung der Insel Fünen. Mit ihren 2.985 Quadratkilometern die drittgrößte Insel Dänemarks. Und Einhand bedeutet Alleine, ohne Jemanden, der Dich ablöst, mit Dir spricht, Entscheidungen mitträgt, aufmuntert oder wach hält. Dein einziges Gegenüber bist Du selbst. Zu Beginn ist alles leicht: mit frischen Kräften geht’s vor dem Wind, man wird überholt und überholt selber, es macht Spaß, sich mit den anderen zu messen. Aber Stunde um Stunde muss man voll da sein, auf's Wetter horchen, den Wind optimal nutzen, die Segel setzen und einholen, auf Untiefen und Felsvorsprünge achten. Plötzlich eine Meerenge, kleinste Inselchen müssen umschifft werden und dann: Flaute. Nichts regt sich mehr, kein Lüftchen weht heran, alles schlapp und flach. Du kannst nichts anderes machen als abwarten, Dich in Geduld üben, darfst aber nicht schlafen. Eine Stunde dauert das an, zwei Stunden, drei Stunden. Was mache ich hier eigentlich? Dann, innerhalb von Sekunden frischt es auf, mit geblähten Segeln geht die Fahrt weiter — Boot und Skipper sind eins. Blauer Himmel, Sonnenschein. Wenig später: Nebel. So schnell und so dicht, dass die Orientierung komplett verloren geht. Wie komme ich hier wieder raus? Ins Risiko gehen, es einfach versuchen. Umwege in Kauf nehmen. Die Nächte sind sternenklar und der Himmel hält eine Freundlichkeit bereit, die gut tut. Nicht schlafen. Aber Müdigkeit ist weniger das Problem. Schlimmer ist, dass der Kopf nach den vielen, vielen Stunden der Dauerbeanspruchung zu "spinnen" anfängt. Seemannsgarn nannten das die Alten. Der Kopf muss Ordnung schaffen und sich nun Stück für Stück den klaren Blick für den Zieleinlauf bewahren. Mein Bruder hat es geschafft. Nach 48 Stunden ist er in den Hafen eingelaufen und bekommt das T-Shirt mit dem Aufdruck "Finisher" überreicht. Er hat nicht aufgegeben. Er hat sein Leben erfahren — sehr intensiv!
Ein Abenteuer, für das man viel Mut braucht und das mich beeindruckt. Würde ich diese Grenzerfahrung wagen? 48 Stunden allein in der Nordsee, ohne Schlaf?

Ich weiß nicht. Und Sie?

Autor/Autorin

  • Edda Bosse

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Der Morgen mit Anja Kwijas und Philipp Kolanghis

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